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05. Oktober 2016

Akute Fehler bei oropharyngealer Dysphagie lassen sich vermeiden

(05.10.2016) Management-Update der DGG-Arbeitsgruppe Dysphagie: Neue Studienergebnisse geben Aufschluss über erhebliche Applikationsfehler von Medikamenten bei Patienten mit Dysphagie. Damit hat sich die DGG-Arbeitsgruppe Dysphagie um Leiter Dr. Martin Jäger aus Dortmund beschäftigt. Oropharyngeale Dysphagie (OD) ist ein weit verbreitetes und mit dem demogaphischen Wandel zunehmend häufiger auftretendes Krankheitsbild, das einen unabhängigen Prädiktor lebensbedrohlicher Komplikationen darstellt und mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziert ist.

Zu den Komplikationen zählen untere Atemwegsinfekte, Aspirationspneumonie, Atemwegsobstruktion bis zum Bolustod durch Aspiration, Exsikkose mit Folgen wie Verstärkung dementieller Symptome, apathischer Tendenzen und medikamentöser Interaktionen, Malnutrition mit konsekutiver Sarkopenie und erhöhter Morbidität sowie Mortalität, aber auch psychosoziale Folgen wie Angst, Scham, sozialer Rückzug, Isolation und Depression.

70 Prozent der geriatrischen Krankenhaus-Patienten sind betroffen

Wegen unspezifischer Warnsymptome und teilweise fehlendem Störungsbewußtsein wird die OD oft nicht oder zu spät diagnostiziert und behandelt (1, 2). Von dem multifaktoriell bedingten, auch stark altersabhängigen Krankheitsbild sind mehr als 50 Prozent der Altenheimbewohner und etwa 70 Prozent der geriatrischen Patienten im Krankenhaus betroffen. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen wegen Dysphagie stiegen zwischen 2007 und 2014 um im Mittel 63 Prozent an, bei über 90-Jährigen sogar um über 200 Prozent (3). Bei unabhängig lebenden Älteren mit klinischen Dysphagiezeichen ist die jährliche Inzidenz von unteren Atemwegsinfekten mit 40 Prozent etwa doppelt so hoch wie die Inzidenz ohne solche Hinweise mit 21,8 Prozent (4). In einer prospektiven Studie in einer Akutgeriatrie zeigten 55 Prozent konsekutiv aufgenommener Patienten mit Pneumonie klinische Hinweise auf Dysphagie (5).

Häufige Applikationsfehler durch Ernährungs- und Medikationsmanagement vermeiden

Durch ein Dysphagiemanagement mit gezielter Anamneseerhebung, klinischer und apparativer Dysphagiediagnostik und darauf aufbauend gezielten therapeutischen Maßnahmen kann die Inzidenz von Komplikationen wie Pneumonie sowie die Mortalität deutlich gesenkt werden. Zum Dysphagiemanagement zählt bereits ein Ernährungsmanagement mit Anpassung der Kostform an die aktuellen Schluckfähigkeiten. Ein Medikationsmanagement ist aufgrund bei Dysphagie signifikant häufiger auftretenden Anwendungsfehlern bei oraler Medikamentengabe sehr wichtig. So zeigte 2006 eine multizentrische Studie bei Patienten mit Dysphagie in etwa 21 Prozent, bei Patienten ohne Dysphagie in etwa 6 Prozent Fehler bei der Applikation (6). Eine aktuelle Studie in 2016 weist bei etwa 57 Prozent der Patienten mit Dysphagie im Vergleich zu etwa 31 Prozent bei Patienten ohne Dysphagie Medikamentenapplikationsfehler nach (7). Weiterhin ergab eine schluckendoskopische Studie 2015 bei Schlaganfallpatienten mit Dysphagie eine hochsignifikante Zunahme von Penetration und Aspiration sowie Residuen beim Schlucken von Tabletten und Kapseln in Milch oder angedickter Flüssigkeit als Applikationsmedium.

Alternative Darreichungsformen müssen optimiert werden

Zahlreiche feste Darreichungsformen wurden in Anwendung bei der Studienpopulation zermörsert, davon lediglich etwa 43 Prozent in korrekter Übereinstimmung mit den Herstellerangaben (8). Unangemessene Veränderungen der Darreichungsform bergen Sicherheitsrisiken für Patienten und Anwender, unter anderem durch die Veränderung von Überzügen, Galenik, Bioverfügbarkeit, Wirkverlauf sowie der Gefahr von Geschmacksveränderungen, Schleimhautschädigungen und Residuen mit Aspirationsgefahr. Im Interesse von Patienten und der Anwendersicherheit sind alternative Darreichungsformen wie Zubereitungen in Saft-Konsistenz unabdingbar um Compliance, Therapieadhärenz und Therapiesicherheit für die Hochrisikogruppe der Dysphagiepatienten zu optimieren. Durch die Anwendung oral-flüssiger Arzneimittelformen können vielmals parenterale Medikamentengaben mit Gefäßpunktion und Infektionsrisiko vermieden werden, die unter Aspekten von Kosteneffizienz und gegebenenfalls notwendiger stationärer Behandlungsbedürftigkeit keine gute Alternative sind.


Literaturnachweise:

  1. Wirth R, Dziewas R, Beck AM, Clave P, Hamdy S, Heppner HJ et al. Oropharyngeal dysphagia in older persons-from pathophysiology to adequate intervention: a review and summary of an international expert meeting. Clin Interv Aging. 2016; 11: 189-208.
  2. Muhle P, Wirth R, Glahn J, Dziewas R. Schluckstörungen im Alter-Physiologie und Pathophysiologie. Der Nervenarzt 2015/4: 440-451.
  3. Leder SB, Suiter DM, Agogo GO, Cooney Jr LM. An Epidemiologic Study on Ageing and Dysphagia in the Acute Care Geriatric-Hospitalized Population: A Replication and Continuation Study. Dysphagia 2016 Oct; 31(5):619-25.
  4. Serra-Prat M, Palomera M, Gomez C et al. Oropharyngeal dysphagia as a risk factor for malnutrition and lower respiratory tract infection in independently living older persons: a population-based prospective study. Age and Ageing 2012; 41: 376-381.
  5. Cabre M, Serra-Prat M, Palomera E et al. Prevalence and prognostic implications of dysphagia in elderly patients with pneumonia. Age and Ageing 2010; 39: 39-45.
  6. Kelly J, Wright D Wood J. Medicine administration errors in patients with dysphagia in secondary care: a multi-centre observational study. JAN 67 (12), 2615-2627.
  7. Serrano Santos JM Poland F, Wright D, Longmore T. Medicines administration for residents with dysphagia in care homes: A small scale observational study to improve practice. Article in press, Int J Pharmaceut (2016), http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378517316301296
  8. Schiele JT, Penner H, Schneider H et al. Swallowing Tablets and Capsules Increases the Risk of Penetration and Aspiration in Patients with Stroke-Induced Dysphagia. Dyspagia 2015 Oct;  30 (5): 571-582.

 

Foto: iStock.com/SilviaJansen

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