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31. Oktober 2022

Mobile Reha hat sich in Corona-Pandemie bewährt

(31.10.2022) Bereits seit 2007 besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Mobile Rehabilitation (MoRe). Mit dem innovativen Behandlungskonzept können geriatrische, aber auch komplexgeschädigte jüngere Patientinnen und Patienten in ihrem ständigen Wohnumfeld versorgt werden – in der eigenen Wohnung, in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Wohneinrichtung der Behindertenhilfe. Diese patientenzentrierte, flexible Herangehensweise hat sich vor allem unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie erfolgreich bewährt. Warum die Patienten von Rehabilitation in den eigenen vier Wänden profitieren und welche Schlüsse daraus gezogen werden können, erklären Dr. Christiane von Rothkirch (Foto links), Medizinische Geschäftsführerin der MoRe Bremen und Dr. Martin Warnach (Foto rechts), Vorstand der BAG MoRe, im Doppelinterview.

Frau Dr. von Rothkirch, Herr Dr. Warnach: Mit welchen Herausforderungen wurde die MoRe speziell in der Geriatrie vor allem zu Beginn der Pandemie konfrontiert?

Dr. Martin Warnach: Die allgemeinen Herausforderungen waren riesig bei der Versorgung geriatrischer Patienten. Es gab lange keine klaren Regeln seitens der Politik und der Gesundheitsbehörden und keine abgestimmten Vorgaben für Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Außerdem fehlten Schutz- und Hygienematerialien. Vor allem in der stationären Pflege war die Verunsicherung sowohl bei Patienten als auch bei Beschäftigten sehr groß. Für uns stellte sich die dringende Frage: Wie können wir unser Reha-Angebot überhaupt aufrechterhalten? 

Dr. Christiane von Rothkirch: Viele geriatrische Abteilungen und Tageskliniken wurden geschlossen oder in ihrer Kapazität reduziert – nicht zuletzt, um sie vorübergehend zu Covid-Stationen umzufunktionieren. Besonders geriatrische Patienten hatten überhaupt keinen Zugang zu einer Rehabilitation. Umso wichtiger war es deshalb, die Versorgung in der MoRe weiterzuführen. Das war vor allem zu Beginn der Pandemie eine enorme Belastung für unsere Beschäftigten.

Sie haben eine Umfrage unter ihren Mitarbeitenden in Bremen durchgeführt, Frau Doktor von Rothkirch. Über welche ganz konkreten Probleme wurde berichtet?

von Rothkirch: Es gab vielfältige Einschränkungen für die MoRe. Erstens in puncto Organisation. Zum Beispiel musste ständig wegen Corona-Verdachtsfällen umgeplant werden, Therapien fielen aus und Schutzmaßnahmen, später auch die Covid-Tests vor Therapiebeginn, waren zeitlich schwer zu kalkulieren. Anfangs hatten wir gar keinen Zugang zu Pflegeeinrichtungen, später wurde uns von einem auf den anderen Tag der Zugang verweigert, wenn in dem Heim ein Corona-Fall aufgetreten war. Die Frage war: Konnte die Rehabilitation unserer Patienten überhaupt weitergehen? Zeitraubend und belastend waren auch unterschiedliche nicht abgestimmte Hygienekonzepte in den Pflegeeinrichtungen. Zweitens gab es Einschränkungen bei der Durchführung der MoRe: Die Masken und der reduzierte Körperkontakt beispielsweise haben die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten und auch die Therapiemöglichkeiten eingeschränkt. Das Pflegepersonal in der stationären Pflege war zudem so überlastet, dass es die Rehabilitation weniger unterstützen konnte als vorher. Unsere Mitarbeitenden waren zusätzlich belastet, wie die Umfrage ergab: Sie hatten ständig Angst, die Patienten anzustecken. Sie empfanden die Arbeit durch das Tragen der Schutzkleidung als sehr anstrengend. Ihnen fehlte der persönliche Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen, weil die Teamsitzungen per Video stattfanden.

Trotz aller Belastungen hat sich MoRe aber bewährt in dieser Zeit. Warum?

von Rothkirch: Viele geriatrische Patienten konnten wir in dieser Zeit gut zu Hause versorgen, dort waren die Therapiemöglichkeiten im Gegensatz zum stationären Bereich nur wenig eingeschränkt. Die MoRe-Behandlungen zu Hause verliefen trotz äußerer Einschränkungen sehr positiv und die Reha-Ergebnisse unterschieden sich nicht von denen vor der Pandemie. Wir in Bremen haben zudem bereits Ende 2020 damit angefangen, unsere Teams in der Therapie von Long-Covid-Patienten fortzubilden. Viele dieser Patienten können gut im häuslichen Umfeld versorgt werden. Die MoRe in der eigenen Wohnung wurde trotz aller Ängste sehr gut angenommen. Es gab eine Reihe von Patienten, die aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht in eine Klinik wollten oder eine stationäre Reha abgebrochen hatten, um dann über die Krankenkasse MoRe zu beantragen. Diese wurde fast immer bewilligt. Letztlich ist es dem besonderen Engagement der Mitarbeitenden zu verdanken, dass wir in Bremen trotz Corona-Pandemie kontinuierlich mehr Menschen behandeln konnten: Im Jahr 2019 haben wir 291 Rehabilitanden versorgt, im Jahr 2020 waren es 372 und ein Jahr später sogar 390 Rehabilitanden. 

Warnach: Auch bundesweit konnten die MoRe-Einrichtungen ihre Versorgung erweitern. Wichtig war die gegenseitige Unterstützung der Einrichtungen. Die BAG MoRe hatte im Rahmen ihres Qualitätsverbunds 14-tätig Videokonferenzen für die MoRe-Standorte organisiert, in denen alle im Rahmen der Pandemie anfallenden Probleme und Lösungsmöglichkeiten diskutiert und beraten wurden. Knapp drei Viertel aller MoRe-Einrichtungen beteiligten sich – für alle eine große Unterstützung. Der Einbruch bei der Behandlung von Pflegeheimbewohnern konnte schon im Jahr 2020 mehr als ausgeglichen werden, weil mehr Patienten in der eigenen Häuslichkeit mobile Rehabilitation in Anspruch nahmen. Bemerkenswert ist das Ergebnis einer Einrichtungsbefragung: In den beiden Jahren 2020 und 2021 gab es nur in drei Fällen Hinweise für die Übertragung einer Corona-Infektion im Rahmen einer mobilen Reha – bei mehr als 80.000 Hausbesuchen der Teams allein im Jahre 2020. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass eine Reha im häuslichen Umfeld auch unter Corona-Bedingungen relativ sicher ist.

Welche neuen Schlüsse ziehen Sie daraus? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

von Rothkirch: Unter Corona war die Kommunikation mit den Angehörigen und mit den Pflegeeinrichtungen erheblich erschwert. Hier wünschen wir uns eine deutlich bessere Digitalisierung für eine sichere und funktionstüchtige Kommunikation, auch über Videoverbindungen. Das sollte auch Pflegeeinrichtungen miteinschließen. Perspektivisch sehen wir gute Chancen, einzelne Leistungselemente der MoRe auch als Videotherapie anzubieten; dies wollen wir in der nächsten Zeit prüfen. Das setzt eine bessere Infrastruktur mit besserem Internet voraus. Und natürlich brauchen wir endlich auch einheitliche, gut strukturierte Schutz- und Hygienekonzepte in den Pflegeeinrichtungen für ein effektiveres Arbeiten, das mehr Zeit für die Patientenversorgung ermöglicht.

Warnach: Bei den Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung müssen wir in Zukunft die Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen, auf ihre Pflege, aber auch auf ihre Gesundheitsversorgung besser berücksichtigen, bewerten und abwägen. Die Teams der MoRe begegneten immer wieder Patienten, die über Monate keinerlei persönliche Kontakte hatten, außer nun zu den Mitarbeitenden der MoRe. Sie hatten allenfalls mit ihren Angehörigen telefonieren können, in den Heimen waren sie oft vollkommen isoliert – mit gravierenden Folgen für die Betroffenen. Es fehlte ein Grundkonsens der beteiligten Akteure über die zentrale Bedeutung der Teilhabe und über die Notwendigkeit, Teilhabe auch unter den schwierigen Bedingungen einer Pandemie für unsere vulnerablen Patienten aufrechtzuerhalten. Hier brauchen wir die kritische Aufarbeitung und Analyse – um besser auf ähnliche Ereignisse vorbereitet zu sein. 

 

Gründerseminar Mobile Rehabilitation am 18. November 2022: 

Um das Konzept und die Praxis der Mobilen Rehabilitation vorzustellen, findet ein Gründerseminar am 18. November 2022 in Dortmund, NRW, statt. Anmeldungen sind noch möglich. 

Veranstaltet wird das Seminar von der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) MoRe in Kooperation mit dem Qualitätsverbund Geriatrie Nord-West-Deutschland und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Weitere Informationen finden Sie im Veranstaltungskalender.


Foto: Dr. Christiane von Rothkirch (privat), Dr. Martin Warnach (privat)

 

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